Homophobie und Männerbünde: Männer eng verbunden? Burschis kuscheln nicht.

Warum Burschis nicht kuscheln, obwohl sie so eng miteinander verbunden sind, was sie gegen Schwule haben, wie stattdessen ein „richtiger“ Mann aussehen soll und weshalb sie sich in reinen Männerbünden organisieren…

„Nur mal unter sich sein wollen…“

Immer zu Semesterbeginn kann man sich über seltsame Anzeigen wundern: da werden für billige Zimmer mit Billardtisch und eigener Hauskneipe explizit männliche Studenten gesucht. Klar, da handelt es sich um Studentenverbindungen. Nur ein Bruchteil der Verbindungen ist gemischt und es gibt nur eine sehr kleine Zahl von Frauenverbindungen. Sämtliche in der DB organisierten Burschenschaften jedoch sind reine Männerbünde. „Ganz einfach, es gibt ja auch keine gemischten Fußballmannschaften. Das soll nichts Ausgrenzendes sein, sondern etwas Integrierendes für jene, die dabei sind. Wir sagen ja nicht: Frauen dürfen hier nicht herkommen. Sie dürfen nur kein Mitglied werden.“, so oder so ähnlich begründen den Ausschluss von Frauen wohl die meisten der Korporierten, die Mitglied einer DB-Burschenschaft sind. Das ist nicht so harmlos, wie es vielleicht klingt. Denn der Ausschluss von Frauen ist keine Laune, sondern das Wesen von Männerbünden. Das zeigt sich auf verschiedene Weise: wie die Burschis sich gegenseitig zu „echten Männern“ mit all der dazugehörigen Härte erziehen, was sie über Frauen und Schwule denken und wie sie sich „Geschlecht“ vorstellen. Auch wenn sie äußern mögen, dass sie doch ziemlich tolerant seien und „Abweichungen von der Norm“ akzeptieren, ist eben bereits diese Auffassung diskriminierend. Und sie arbeiten nicht etwa daran, Diskriminierungen zu mindern, sondern feilen weiter an der Norm, indem sie versuchen eine ideale Männlichkeit auszubilden. Dies ist in den burschenschaftlichen Strukturen und Traditionen zentral.

Wo keine Kehle und kein Auge trocken bleibt…

Was einen „richtigen Mann“ ausmacht, davon haben die Burschenschaften ziemlich genaue Vorstellungen, die sie in Ritualen einüben. So beschwören sie in ihren Liedern zentrale Merkmale der von ihnen angestrebten männlichen Gemeinschaft: der Mann soll Ehre, Treue, Leistung, Disziplin mitbringen. Elementare Ausdrucksformen davon sind auch Mensur und Saufen:

Schwenkt der Schläger blanke Klingen, Hebt die Becher, stoßet an!
Unser Streben, unser Ringen, aller Welt sei’s kundgetan.
Laßt das Burschenbanner wallen, haltet’s hoch mit starker Hand,
Brausend laßt den Ruf erschallen: Ehre, Freiheit, Vaterland!

(Burschenschafterlied)

Das gemeinsame Schmettern deutschen Liedguts schweißt die Männerrunde eng zusammen: das Gemeinschaftsgefühl und das Gefühl, Teil von etwas Höherem zu sein, wird auch über emotionale Ergriffenheit hergestellt. Dazu trägt unter anderem das ritualisierte Besäufnis bei: in Trinkspielen und hierarchisierten Abläufen findet das absolute Aufgehen in der Männergemeinschaft statt. Schon die Existenz des „Bierpapstes“ (des Kotzbeckens) deutet darauf hin, worum es hier geht: über die eigenen Grenzen hinaus zu gehen. Es bedarf großer Härte gegen sich selbst, bis zum Kotzen (und darüber hinaus) bedingungslos weiterzutrinken, weil es so gefordert wird. Auch wenn Gäste mittrinken dürfen: weibliche dürfen es nie – selbst dann nicht, wenn sie selber korporiert sind. Denn das Ausleben enthemmter Emotionen kann nur in der sicheren Geborgenheit heterosexueller Männerrunden stattfinden.

Um diesen Kontrollverlust auszugleichen, gibt es die Einrichtung der Mensur. Diese dient den Burschen dazu, Hingabe an die Gemeinschaft, also die Aufgabe der Individualität ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten, einzutrainieren. Die Bereitschaft, Schmerzen für das Ganze auf sich zu nehmen, entspricht der Bereitschaft, sich zu opfern. Nur wer Schmerzen und Härte aushält, also zu Selbstbeherrschung und Disziplin fähig ist, kann einen starken Charakter ausbilden. Nur wer charakterstark ist, kann Leistung erbringen. Nur wer dies kann, ist männerbundfähig. Hier herrscht die Vorstellung vor, Männlichkeit bestünde aus einem Höchstmaß an Ertragenkönnen, aus einer Gleichgültigkeit gegenüber dem Schmerz: „Dabei wird zwischen dem eigenen und dem anderer nicht einmal so sehr fest unterschieden. Wer hart ist gegen sich, der erkauft sich das Recht, hart auch gegen andere zu sein, und rächt sich für den Schmerz, dessen Regungen er nicht zeigen durfte, die er verdrängen musste.“

(Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz)

In dieser Logik steckt schon der Kern der Ausgrenzung: „Ich kann Schmerz aushalten, also musst du es auch können. Wenn du es nicht kannst, gehörst du nicht dazu.“ Und nicht dazuzugehören heißt, den Anforderungen von Männlichkeit nicht zu entsprechen. Denn die Burschenschaften sehen die Mensur auch als Treuebeweis und Selektionskriterium:

„Wer nicht auf seine eigene Leistung vertrauen kann,
wer die Feigheit dem Mut vorzieht,
wer lieber bequem als diszipliniert ist,
wer persönliche Vorteile höher bewertet als die Gemeinschaft, ist nicht dazu geeignet, Teil einer solchen Gemeinschaft zu werden.“

(Burschenschaftliche Gemeinschaft in der DB)

Um selbst jedoch diesen Anforderungen Genüge zu tun und nicht etwa an den „Selektionskriterien“ zu scheitern, muss eine Menge verdrängt werden. So werden all diejenigen ausgegrenzt, bei denen Feigheit, Bequemlichkeit und Schwäche vermutet werden. Historisch wurden diese Merkmale bei Frauen, („verweiblichten“) Juden und Schwulen ausgemacht. Auf sie wurden die verdrängten Regungen projiziert. So konnte sich der Männerbund von ihnen abgrenzen. Nicht von ungefähr verstärkte sich der Männerbundgedanke, als sich Frauenemanzipation, Homosexualität und „Perversionen“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausbreiteten.

Warum Burschis nicht mit Burschis knutschen…

Der Schwäche der „Verweiblichten“ wird das burschenschaftliche Männlichkeitsideal entgegengesetzt. Nur durch den starken Willen, die Fähigkeit „Herr über sich selbst“ sein zu können, die Kontrolle nicht aufzugeben, das übergeordnete Ziel im Auge zu haben und Leistung zu erbringen, können die Einzelnen im Männerbund zu Trägern gesellschaftlicher Entwicklung werden. – So verstehen sie sich, wenn sie sich in der Rolle der formenden, gesellschaftlichen Elite sehen. Wie in Bezug auf Mensur und Trinkspiele erwähnt, müssen die Burschenschafter so Einiges verdrängen. Aggression hilft dabei im Kampf gegen die eigenen „weiblichen Züge“. Die männliche Homosexualität widerspricht burschenschaftlichen Idealen, weil hier Kontrolle aufgegeben wird und einer „passiv“ sein muss, „verweiblicht“. Sexualität im Allgemeinen wird als Gefahr für die Produktivität des Männerbundes empfunden, da hier Energien verschwendet werden, die sich eigentlich in Leistung umsetzen ließen: Deshalb die Angst vor „Beziehungsdramen“ oder „Verführung“, wenn Frauen auf den Häusern wären, wie von Burschen immer wieder angeführt. Nur so lässt sich die emotionale Bindung auf die Gemeinschaft, die Kameradschaft beziehen, dem „Höheren“ huldigen, was nicht selten in Opferbereitschaft gipfelt – siehe die Selbstverletzung in der Mensur. In dieser emotionalen Gemeinschaft, dem Männerbund, soll der Mann seine Fähigkeiten voll ausschöpfen können. Deshalb die panische Angst vor offener homoerotischer Annäherung: Das gesamte homosoziale Gefüge würde durch mann-männliche Sexualität zerbrechen. Knutschen verboten!

Durch phallische Darstellungen – wie das Burschenschaftsdenkmal in Eisenach eine ist – ist das verdrängte Schwul-Sein dennoch permanent gegenwärtig. Auch das Mosaik an der Decke des Denkmals offenbart die homoerotische Anziehungskraft: abgebildet sind kraftstrotzende nackte männliche Körper mit mächtigem Geschlecht in Szenen germanischer Mythologie. Das entspricht einer Dramatisierung der Männerrolle, die zugleich die verdrängte Homoerotik offenbart und die Verquickung mit Esoterik und der Aura des Geheimnisvollen offenlegt. Die männliche Verschworenheit kann kaum besser ausgedrückt werden, als in dieser Höhlenmalerei ähnelnden Darstellung.

Von „Genderwahn“ und „Gender – Totalitarismus“

Alle Versuche die Geschlechterordnung aufzubrechen gefährden die männliche Rolle des Burschenschafters. So halluziniert er sich „Genderwahn“ und „Gender-Totalitarismus“ als Bedrohung der Gesellschaft herbei. Denn sein Weltbild ist ein biologistisch-evolutionistisches, er braucht den Rückgriff auf Natur um seine Ordnungsvorstellungen festzuschreiben. Den Glauben an die Naturhaftigkeit anzukratzen, gefährdet demnach auch andere Bereiche des Burschi-Weltbildes. Die Geschlechterordnung in Frage zu stellen, verunsichert die eigene Identität: „Bei Problemlösungen ist bei Männern hauptsächlich nur eine Gehirnhälfte in Verwendung, bei Frauen aber fast immer beide. Das heißt, stammesgeschichtlich können Männer besser abstrahieren, was etwa in Kampfsituationen lebenserhaltend sein kann. Frauen denken dagegen meistens “ganzheitlich”, was etwa für die Mutterschaft von besonderer Bedeutung ist.“ Frauen und Männer werden für ewig auf bestimmte Stereotype und Fähigkeiten festgeschrieben – Emanzipation erscheint der Natur entgegengesetzt und damit schädlich: „Und Gender-Mainstreaming ist eine solche schädliche Entwicklung. Es wird versucht (denn gelingen kann es nicht), stammesgeschichtlich über viele Millionen von Jahren gewachsene Eigenschaften “intellektuell abzutrainieren”. Das ist (…) Unfug, der (…) enormen Schaden anrichtet, wenn man ihn nicht einbremst. (…) Wir Burschenschafter müssen, so meine ich, mitwirken, diese Fehlentwicklung einzubremsen und der Alltagsvernunft, dem Hausverstand der Mehrheit der Bevölkerung wieder zur Geltung verhelfen.“

Hier spricht die paranoide Furcht vor einem allgegenwärtigen Angriff auf ihre Geschlechtsidentität, die deshalb umso krampfhafter aufrecht erhalten wird. Es braucht diese Vorstellung einer feministischen Übermacht, um das Festhalten am Männerbund rechtfertigen zu können. Zudem stellt man sich eine linke Hegemonie vor, die in allernächster Zeit den „geschlechtslosen Menschen“ etabliert. Deshalb die ritualisierte Versicherung der eigenen Männlichkeit und die Abwertung des Weiblichen. Auch die Deutungsmacht darüber, was eine Frau ist, was ihre gesellschaftliche Rolle ist, sowie das Bestimmen über den Körper von Frauen, trägt dazu bei. Davon zeugen etwa Vorträge wie der eines „Lebensschützers“ in der Burschenschaft Hannovera in Göttingen 2009 unter dem Titel „Ein Volk entsorgt seine Kinder. Die Normalität der Abtreibung und das Recht auf Leben im real existierenden Liberalismus“. Insgesamt kann eine Frau als entweder respektabel oder nur als verfügbar angesehen werden.

Auch die Frauen aus dem eigenen Lager haben einen schweren Stand. Obwohl „Damenverbindungen“ weder emanzipatorisch sind, noch eine wirkliche „Gefahr“ für die Burschenschaften darstellen, wird auch am Umgang mit ihnen die Frauenfeindlichkeit deutlich. Sie gründeten sich als Reaktion auf männliche Vorherrschaft, um ebenfalls elitäre Seilschaften zu etablieren. Der geschätzte Gesamtanteil von Frauen in Verbindungen (inkl. Damenverbindungen) beträgt jedoch gerade einmal ein bis fünf Prozent. Obwohl im Zuge der 68er teilweise Verbindungen für Frauen geöffnet wurden, bleiben diese eine Bastion der Männer. Die reaktionärsten von ihnen sind die Burschenschaften in der DB, in der sich nur schlagende Männerbünde organisieren. Insgesamt werden „Damenverbindungen“ von Männerverbindungen lediglich als Freundinnen ernst genommen – an der Kneiptafel sitzen dürfen sie nicht.

Doch zum Glück gibt es tatsächliche Bedrohungen für Männerbünde. Ihre maßlose Überschätzung des eigenen Geschlechts wird durch feministische Bestrebungen in Frage gestellt. Das gelingt bei den antiquiert und patriarchal daherkommenden Burschenschaften noch ganz gut. Um die restlichen Männerbünde der Gesellschaft – Fußballmannschaften, katholische Kirche, Unternehmensvorstände, Bundeswehr etc. – zu knacken, müssen wir wahrscheinlich noch wesentlich hartnäckiger sein.