Redebeitrag: Antifeminismus und Homophobie

Seit fast 200 Jahren feiern Burschenschafter in Eisenach ihre männliche Gemeinschaft. Was als nationalistisch-männliches Projekt im Zuge der antinapoleonischen Stimmung begann, ist heute – im Jahre 2011… noch immer ein nationalistisch-männliches Projekt.

Und das bedeutet: Ehre, Treue, Leistung, Disziplin, Härte und Kameradschaft, sowie einige Hundert Liter Bier, die für viel mehr da sind, als nur den Durst zu stillen. Die Idylle der männlichen Gemeinschaft kann – Bier sei dank – ganz emotional sein: nur im sicheren Kreis der Kameraden, der auf jeden Fall heterosexuellen Männer, kann beim Singen der ersten Strophe des Deutschlandliedes ein Tränchen verdrückt werden, ohne dass jemand auf die Idee kommt, dieses Weinen hätte was mit Schwäche oder Weiblichkeit zu tun. Da wird sich in den Arm genommen und gedrückt, aber natürlich ist das eine kameradschaftliche Geste unter Männern, also etwas ganz anderes als weibliche Emotionalität oder homoerotische Zärtlichkeit.

Das Stichwort heißt: Männerbund! Das ist mit das wichtigste Merkmal von Burschenschaften. Und was ist so scheiße daran?

Burschen erklären immer wieder, dass es ja zum Beispiel auch keine gemischten Fußballmannschaften gibt und dass das ja nichts Ausgrenzendes sein soll, sondern was Integrierendes für die, die dabei sind. Dass Frauen zwar zuschauen, aber kein Mitglied werden dürfen, hat in dieser Logik nichts mit Ausschluss zu tun. Komisch! Denn es geht hier ja nicht um ein harmloses Kaffeekränzchen, sondern um den Anspruch, die Gesellschaft zu formen und ihre nationale, geistige, ökonomische und politische Elite zu sein.

Diese bestechende Logik ist also nicht nur eine Laune, sondern vielmehr das Wesen von Männerbünden. Den Ausschluss von Frauen begründen die Burschen zumeist ganz „lebensnah“: wenn’s Frauen auf den Häusern gäbe, würde das Beziehungsdramen und „Verführung“ bedeuten. Und das würde die Aufmerksamkeit der als triebgesteuerte Männer gedachten Burschen auf Sexualität lenken, anstatt durch Selbstdisziplinierung die emotionale Bindung komplett auf die Kameradschaft auszurichten.

In der beschränkten Sicht von Burschen sind Frauen Freundinnen und Ehefrauen und damit lediglich für Sex und Reproduktion da. Hier beanspruchen Burschen auch regelmäßig Deutungsmacht über den Körper von Frauen, indem sie zum Beispiel Veranstaltungen gegen Abtreibung organisieren.

Wir nennen das handfesten Antifeminismus: Es geht ja nicht darum, dass jemand nicht in den Sandkasten darf, weil das Schippchen oder Förmchen die falsche Farbe hat – wir wollen auch gar nicht mit in den Sandkasten. Es geht hier um eine Ordnung und die daraus folgenden Konsequenzen, die über die biologistische Vorstellung der Zweigeschlechtlichkeit laufen. Darauf basiert die ganze Idee des Männerbundes: Für irgendwen zwischen den oder außerhalb der herkömmlichen Geschlechtsidentitäten ist in dieser Weltsicht kein Platz. So treibt die übermännlichen Burschenschafter die panische Angst vor „Gender-Wahn“ und „Gender-Totalitarismus“ um (ja – diese Begriffe haben wir original von Burschi-Internetseiten!). Im Gender-Mainstreaming – so die paranoide Logik – würde versucht „stammesgeschichtlich über viele Millionen von Jahren gewachsene Eigenschaften ,intellektuell abzutrainieren’.“ Ah ja.

Es existiert also eine wahnhafte Furcht vor einem Angriff auf die Geschlechtsidentität, die mit der Vorstellung einer feministischen Übermacht und einer linken Hegemonie, die in nächster Zukunft den geschlechtslosen Menschen etabliert, einhergeht.

Man merkt es spätestens jetzt: Männlichkeit ist kein zufälliges Attribut von Burschenschaften, sondern elementar! Männlichkeit bedeutet dabei, die eigenen Triebe zu beherrschen, sich zu kontrollieren und dadurch einen Willen ausbilden zu können um leistungsfähig zu sein. Das ist das ideale bürgerlich-männliche Subjekt, das Elite spielen – und nur in der reinen Männergemeinschaft „perfektioniert“ werden kann. Denn nur hier können emotionale Ergriffenheit – die sich bei Burschen z.B. dann einstellt, wenn über’s Vaterland gefaselt wird – und das emotionale Aufgehen in der Männergemeinschaft ausgelebt werden. In der Geborgenheit der bierschweren Männerrunde wird ein Kontrollverlust ermöglicht, den der ansonsten so disziplinierte Bursch’ sich stets verweigert. Wieder wettgemacht wird das Sich-Gehen-Lassen durch die Mensur, also das Fechten, in dem die Selbstbeherrschung wiederhergestellt werden kann. Größtmögliche Härte, ein Höchstmaß an Ertragenkönnen bringt höchsten Männlichkeitsbeweis. Auch das Trinken bis zum Kotzen – das ist ja keine Spaßveranstaltung, sondern Ausdruck der Hierarchien – stellt in seiner Entgrenzung Härte gegen sich selbst dar.

Das alles wäre uns herzlich egal, wenn sich ein paar ohnehin schon hässliche Burschen das Gesicht zerkratzten oder eine Alkoholvergiftung nach der andere bekämen. Aber in dieser Ausprägung der männlichen Härte liegt der Kern der gesellschaftlichen Ausgrenzung à la: „Ich kann Schmerz aushalten, also musst du es auch können. Wenn du es nicht kannst, gehörst du nicht dazu, kannst keine Führungspositionen einnehmen, kannst kein deutscher Mann sein… und so weiter.“

Wir denken, dass diese überbetonte Männlichkeit etwas mit verdrängter Homosexualität zu tun hat. Wenn im bierseligen Sich-in-den-Armen-Liegen homosexuelles Begehren nicht ausgeschlossen wäre, könnte dies die männliche Gemeinschaft erschüttern. Die vermeintlich weiblichen Züge, die in schwuler Sexualität ausgemacht werden erscheinen als gefährlich für das Bild von Männlichkeit. So werden eigene verdrängte Regungen auf vermeintlich weichliche Schwule und Frauen projiziert. Das verdrängte Schwul-Sein ist in der Burschi-Welt jedoch allgegenwärtig: die Dramatisierung der Männerrolle findet ihren Ausdruck zum Beispiel in der phallischen Darstellung des Deckengemäldes des Burschenschafterdenkmals, zu dem die Burschen gestern marschiert sind.

Um’s noch mal deutlich zu sagen: da es hier nicht um einen harmlosen Haufen komisch gekleideter altbackener Freaks geht, die nun mal nicht mit Mädchen Fußball spielen wollen, sondern um eine explizit politische Veranstaltung, die aus Männern besteht, die die Gesellschaft formen wollen, haben wir mit dem ganzen Scheiß ein enormes Problem!

Und deswegen gilt heute und überhaupt:

Weg mit diesen scheiß Männerbünden, ihrem Führungsanspruch, ihrem Sexismus und ihrer Homophobie! Für ein feministisches und selbstbestimmtes Leben!