2014 Gegen jeden Antisemitismus!

… in Göttingen, Deutschland, Europa und anderswo …

Sonn­abend, 30. Au­gust, 15 Uhr
Altes Rat­haus/ Gän­se­lie­sel, Göt­tin­gen

Am 08. Juli 2014 be­gann die is­rae­li­sche Luft­waf­fe als Re­ak­ti­on auf den zu­neh­men­den Ra­ke­ten­ha­gel aus dem Ga­za­strei­fen mit dem Be­schuss von Orten, an denen sie Ha­mas-​Kämp­fer ver­mu­te­te. Kurz dar­auf ver­sam­mel­ten sich welt­weit Men­schen, um gegen den Krieg zu de­mons­trie­ren. Doch zu­meist ge­schah dies sehr ein­sei­tig: „Free Pa­les­ti­ne“ und „Kin­der­mör­der Is­ra­el“ waren die meist­ge­hör­ten Pa­ro­len, durch „Al­la­hu Akbar“ er­hiel­ten die Demos eine deut­lich re­li­giö­se, teil­wei­se mit Ha­mas-​ und gar Isis-​Fah­nen auch is­la­mis­ti­sche Aus­rich­tung.

Doch dabei blieb es nicht: In Göt­tin­gen wur­den De­mons­trie­ren­de, die Is­ra­el-​Fah­nen tru­gen, aus einer Free-​Ga­za-​De­mo her­aus an­ge­grif­fen, in Frank­furt er­hielt ein Rab­bi­ner Mord­dro­hun­gen, in Ber­lin wurde ein jü­di­sches Paar be­drängt, in Wup­per­tal gab es einen ver­such­ten Brand­an­schlag auf eine Syn­ago­ge, in Sar­cel­les, einem Vor­ort von Paris, wur­den ko­sche­re Ge­schäf­te an­ge­zün­det.

Gauck und Mer­kel zeig­ten sich be­trof­fen. Doch ihre Rede vom „im­por­tier­ten An­ti­se­mi­tis­mus“ schürt ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments und ver­leug­net, dass An­ti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land Tra­di­ti­on hat. An­ti­se­mi­tis­mus zieht sich durch alle Mi­lieus und Bil­dungs­schich­ten. An­ti­se­mi­tis­mus ist ein ge­samt­ge­sell­schaft­li­ches Pro­blem: 51 Pro­zent der Deut­schen sagen, die Is­rae­lis mach­ten das Glei­che wie die Nazis (laut Bie­le­fel­der In­sti­tut für Kon­flikt-​ und Ge­walt­for­schung).

An­ge­sichts der vie­len pa­läs­ti­nen­si­schen Toten ist es ver­ständ­lich, auf die Stra­ße zu gehen, um Wut und Trau­er Aus­druck zu ver­schaf­fen. Doch müs­sen die Frie­dens­be­weg­ten sich Kri­tik daran ge­fal­len las­sen, wie und mit wem sie da auf die Stra­ße gehen – das zei­gen die Pa­ro­len und Aus­schrei­tun­gen der letz­ten Wo­chen. Es gibt kein Tabu, die is­rae­li­sche Re­gie­rung zu kri­ti­sie­ren. Doch schaf­fen es dabei nur die we­nigs­ten, kei­nen An­ti­se­mi­tis­mus zu äu­ßern. Ge­ra­de an­ge­sichts des un­ab­läs­si­gen Ra­ke­ten­ha­gels auf Is­ra­el und der Toten auch auf is­rae­li­scher Seite, ist es not­wen­dig, eine un­ver­söhn­li­che Kri­tik des An­ti­se­mi­tis­mus der Hamas und der selbst­er­nann­ten „Is­rael­kri­ti­ker_in­nen“ zu for­mu­lie­ren. Das be­deu­tet für uns, sich all jenen ent­ge­gen zu stel­len, die das Exis­tenz­recht Is­raels di­rekt oder in­di­rekt in Frage stel­len.

Es kann je­doch nicht darum gehen, durch die Rede von den „schlecht in­te­grier­ten Mus­li­men“ den Blick vom all­ge­gen­wär­ti­gen deut­schen An­ti­se­mi­tis­mus ab­zu­len­ken. Ras­sis­ti­sche Deu­tun­gen leh­nen wir ent­schie­den ab.

Auch wenn es in die­ser kom­ple­xen Lage schwer fällt: Es gilt, sich weder der Ohn­macht hin­zu­ge­ben noch in iden­ti­tä­ren Po­si­tio­nen zu ver­har­ren, son­dern sich trotz aller An­stren­gung um einen dif­fe­ren­zier­ten Blick zu be­mü­hen.

Un­se­re Kund­ge­bung ist der Ver­such einer kri­ti­schen Pra­xis gegen An­ti­se­mi­tis­mus – für den Zwei­fel und gegen das Be­scheid­wis­sen! Grund­pro­blem der Ent­wick­lun­gen der letz­ten Wo­chen ist: Diese Ge­sell­schaft (und oft auch ihre Kri­ti­ker_in­nen) hat kei­nen Be­griff von An­ti­se­mi­tis­mus. Es ist nicht jede Äu­ße­rung an­ti­se­mi­tisch, die sich schei­ße an­hört, aber es ist viel mehr an­ti­se­mi­tisch als ge­dacht: die Gleich­set­zung von Is­rae­lis und Juden, die Pa­ra­noia um die jü­disch-​is­rae­li­sche Me­dien­ver­schwö­rung, die Dia­bo­li­sie­rung und die NS-​Ver­glei­che in Bezug auf das Han­deln der is­rae­li­schen Re­gie­rung, die An­nah­me nie­der­träch­ti­ger In­ten­tio­nen Ne­tan­ja­hus, das pa­läs­ti­nen­si­sche Volk zer­stö­ren zu wol­len….

An­ti­se­mi­tis­mus ist nicht ir­gend­wie schlecht for­mu­lier­te „Is­ra­el-​Kri­tik“, son­dern eine ge­walt­sa­me Ideo­lo­gie, mit der sich selbst­er­nann­te „Got­tes­krie­ger“, Neo­na­zis, Gün­ter Grass und durch­ge­knall­te Linke die Welt er­klä­ren. Und sie äu­ßert sich nicht erst dann, wenn Jü­din­nen und Juden aus­ge­grenzt, be­schimpft, an­ge­grif­fen und ge­tö­tet wer­den.

Für ein Ende des Leids der Is­rae­lis, Pa­läs­ti­nen­ser_in­nen, Jü­din­nen und Juden über­all in der Welt!
Free Gaza from Hamas!
Gegen jeden An­ti­se­mi­tis­mus!

f*act, OLAfA und sub*way
Göt­tin­gen, Au­gust 2014

Die­ser Auf­ruf wird un­ter­stützt durch:

as­so­cia­ti­on [belle vie] Han­no­ver
ak:rac­coons Kas­sel
DGB Re­gi­on Süd­nie­der­sach­sen-​Harz
Fach­schafts­rat So­zi­al­wis­sen­schaf­ten Göt­tin­gen
[femko] Göt­tin­gen
Jü­di­sche Kul­tus­ge­mein­de Göt­tin­gen
Jü­di­sches Lehr­haus Göt­tin­gen
Jusos Göttingen
Re­di­cal [M] Göt­tin­gen
TASK Kas­sel