2012 – Gegen den Burschentag der Deutschen Burschenschaft

Zweite Phase – Der Countdown läuft
Seit dem Mauerfall findet in Eisenach jährlich der Burschentag der Deutschen Burschenschaft (DB) statt. Dazu treffen sich Hunderte Burschenschafter aus Deutschland und Österreich auf der Wartburg. Der historische Bezug, den sie damit herstellen, ist das Wartburgfest 1817, auf dem zwei Jahre nach der Gründung der Urburschenschaft die frühen Burschenschaften zusammenkamen. Sie gaben sich hier nicht nur ein nationalpolitisches Programm, sondern verbrannten auch mit antifranzösischer, antiaufklärerischer und antijüdischer Stoßrichtung Bücher: unter anderem den Code Civil, der die Gleichstellung der Bürger festschrieb und eine Schrift des deutsch-jüdischen Schriftstellers Saul Ascher, die vor den Gefahren eines übersteigerten Deutschtums warnte.

Nazis – Konservative – tolerante Demokraten?

Nachzuweisen, dass die DB voller handfester Nazis ist, ist nicht schwer. Beispiele sind etwa Jürgen W. Gansel, im NPD-Parteivorstand, sowie der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Arne Schimmer (beide Dresdensia Rugia zu Gießen). Die Danubia München versteckte 2001 einen wegen eines rassistischen Übergriffes polizeilich gesuchten Neonazi und lud den bekannten Holocaustleugner und Nazi-Anwalt Horst Mahler ein. Darüber hinaus tauchen regelmäßig Burschenschafter auf NPD-Spendenlisten auf.
Das verwundert nicht, denn 1973 scheiterte der Antrag einer Burschenschaft, der forderte, eine gleichzeitige Mitgliedschaft in DB sowie NPD, Nationaldemokratischem Hochschulbund und anderen neonazistischen Vereinigungen auszuschließen. Die Marburger Burschenschaft Rheinfranken brachte auf den Punkt, dass ein solcher Beschluss „eine ganze Reihe von Bünden in grundsätzliche Schwierigkeiten gebracht“ hätte. Entlarvenderweise beschloss der gleiche Burschentag die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der DB und „rechtsextremen Gruppen“ – wer die dann noch sein mögen, ist völlig schleierhaft.
Auch die Diskussion um den so genannten „Arierparagraphen“ beim Burschentag 2011 zeigt den völkischen Charakter der DB: Einem Antrag der Alten Breslauer Burschenschaft der Razceks zu Bonn zufolge sollten nur „Deutschstämmige“ als Mitglieder zugelassen werden. Betrachtet man den historischen Bezug verwundert das allerdings auch nicht weiter. Schon ab 1896 wurden keine Juden mehr in Burschenschaften aufgenommen. Ab den 1920er Jahren zählten die Burschenschaften zu den stärksten Unterstützern der NSDAP, die Unstimmigkeiten zwischen dem Nationalsozialistischen deutschen Studentenbund (NSDStB) und den Korporierten, die heute gern als „Widerstand“ verkauft werden, drehten sich lediglich um Führungsansprüche – inhaltliche Differenzen gab es kaum. Und so wurden zahlreiche Burschenschafter Funktionäre im NSDStB.
Die völkische Ideologie der Burschen findet sich nicht nur in Bezug auf die eigenen Reihen, sondern schlägt sich auch im sonstigen politischen Bestreben nieder: Das völkische Deutschlandbild ist eines der zentralen Programmpunkte der DB. So zielt eben auch ihr Wahlspruch „Ehre – Freiheit – Vaterland“ auf eine Nation, deren Basis das „deutsche Volk“ sein soll. Diesem „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ ist es auch zu verdanken, dass seit 1971 die österreichischen Burschenschaften in die DB aufgenommen werden können. Der DB zufolge endet die deutsche Nation nämlich nicht an den Grenzen der BRD.

Anderes Label, gleicher Inhalt?

Trotz alledem sind die Burschen nun einmal auch Konservative und müssen daher ebenso als diese kritisiert werden. Dadurch, dass sie ihren Konservatismus so betonen, können sie sich leicht von „Nazis“ und „jeglichem Extremismus“ abgrenzen. Doch klar ist, diese Abgrenzung ist rein formal, jedoch – dank des fragwürdigen Exremismusbegriffs, der die „Extreme“ an den Rändern verortet – gesellschaftlich akzeptiert. Anhand der Burschen zeigt sich, dass Nationalismus, Neofaschismus und Rassismus aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ kommen. Als Burschenschafter, der sich von Extremismus distanziert und auf „Meinungsfreiheit“ beruft, lässt es sich gegen das herbeihalluzinierte Tabu der „political correctness“ wettern („das wird man doch wohl sagen dürfen“), ohne sofort als Nazi gelabelt zu werden. Genau hier wird die Scharnierfunktion der DB offenbar: Denn die sich so seriös gebenden Männer vereinen in ihren Kreisen (Neo-)Nazismus und Konservatismus – sowohl was Inhalte, als auch was Organisationsstrukturen betrifft.
Beispielhaft kann Hans Merkel genannt werden, der als CSU-Mitglied innerhalb seiner Karriere mit zahlreichen bundespolitischen Ämtern betraut war. Er zählt zu den Erstunterzeichnern des neu-rechten „Manifests gegen den Linkstrend“, welches einen Aufruf zur Rückkehr zu „christlich-konservativen“ Positionen darstellt und die „Öffnung nach links“ der CDU kritisiert. Er ist Mitglied der Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania. Am 16. April 2011 hielt er eine Rede anlässlich der Neueinweihung der „Langemarck-Gedenkstätte“ in Eisenach und bezeichnete darin Österreich als einen von „zwei Teilen Deutschlands“ – sein Deutschlandbegriff umfasst das „Bismarckreich und Deutschösterreich“. Auch bei der Münchener Danubia tauchte er schon auf: Hier war er 2002 als Redner zum Stiftungsfest eingeladen.
In Burschenschaften bekommen sie also alle ihren Raum, die Nazis, die neu-rechten und konservativen Kräfte. Die Burschen sind das, als was sie auftreten: Bestandteil der bürgerlichen Demokratie – und müssen in diesem Kontext als Ausdruck der kapitalistischen Verhältnisse, in denen beispielsweise Geschichtsrevisionismus und Rassismus Normalität sind, begriffen und kritisiert werden.

Nur ein kleines Karrierevehikel?

Im Laufe ihrer Entwicklungen führten Studentenverbindungen das sogenannte „Lebensbundprinzip“ ein, gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die Altherrenverbände. Es sind nicht zuletzt diese Organisationen, die einerseits durch den Kauf und die Unterhaltung der Häuser die Infrastruktur absichern und andererseits massiv ihrem gesellschaftlichen Formungsanspruch Rechnung tragen, indem sie den Nachwuchs in wichtige gesellschaftliche Bereiche hieven: Diese männlichen Netzwerkstrukturen sind eine praktische Umsetzung der Idee vom politischen Sendungsbewusstsein. So besetzen zahlreiche Verbindungsstudenten Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Kirche. Dabei geht es nicht nur um eine auf Leistung basierende Funktionselite, sondern um eine mit der Vorstellung von Deutschtum gekoppelte Bewusstseinselite.
Es ist also hier nicht „nur“ ein Geklüngel an Seilschaften, sondern ebenso der Versuch, gesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu den eigenen Gunsten zu bestimmen und sich in der kapitalistischen Normalität der ständigen Konkurrenz eine Elite-Position zu verschaffen. Als „Gestalter“ und geistige Vorhut wollen sie die Gesellschaft nach ihren autoritären Vorstellungen formen. Die DB und andere Zusammenhänge der sogenannten „Neuen Rechten“ legen Wert auf seriöses Auftreten und einen intellektuelle Anstrich – z.B. durch Publikationen, Zeitungen und Tagungen. So bringt die DB ihre Inhalte in die „Mitte der Gesellschaft“ und trägt dadurch viel zur breiten Akzeptanz revisionistischer, reaktionärer und antifeministischer Positionen bei. Darüber hinaus sind Frauen von vornherein von dieser Praxis ausgeschlossen – sie sollen gar nicht erst in öffentliche Positionen gelangen.

Der Männerbund – und die Anderen …

Gleichberechtigt sind Frauen in den Augen der Burschen also nicht. Sie werden zwar gerne zu Bällen und Stiftungsfesten eingeladen, aber als Akteurinnen des öffentlichen und politischen Lebens nicht ernstgenommen. Dabei sein dürfen sie nur als Freundinnen, so lange sie „schön und still“ sind. So hat das Ganze nicht etwa den Charakter eines „Sportvereins, wo eben in getrennten Teams gespielt wird“ (das führen Burschen gerne an), sondern hält Frauen systematisch von öffentlicher Einflussnahme ab. Als anerkannter Teil der bürgerlichen Gesellschaft ist es ihnen tatsächlich möglich, den Ausschluss von Frauen in vielen Bereichen durchzusetzen. Das Männlichkeitsideal deutet auf eine Gesellschaft hin, die ganz auf das Männliche ausgerichtet ist und ohne Frauen im öffentlichen Leben auskommt.
Für Burschenschafter geht der Ausschluss des Weiblichen aus den eigenen Reihen (und aus dem gesellschaftlichen Leben) aber noch weiter: Sie sehen sich als Männerbund, der in der geschützten und vermeintlich asexuellen Atmosphäre sich ganz der Nation hingeben kann. Um die kraftvolle männliche Vereinigung, den „Motor der Gesellschaft“, nicht zu gefährden, müssen die eigenen „weiblichen“ Anteile unterdrückt, die Geschlechterkonturen aufrecht erhalten und Homosexualität ausgeschlossen werden: deshalb der Ausschluss von Schwulen. Homophob und sexistisch ist der burschenschaftliche Männerbund durch und durch. Mit dem Bezug auf Natur soll die Heteronormativität zementiert werden, jegliche emanzipatorische Ansätze werden als gefährlich für die gesellschaftliche Ordnung dargestellt – dieser „Fehlentwicklung“ wollen die Burschen entgegenwirken. So verteufeln Burschenschafter regelmäßig Homosexualität, „Gender Mainstreaming“ und die „Erosion der Geschlechterrollen“ – alles, was ihren übersteigerten Männlichkeitswahn bedrohen könnte.

Lange Rede kurzer Sinn

Burschenschafter sind nicht nur eklig, sondern auch gefährlich. Deshalb: auf nach Eisenach – den Burschentag zum Desaster machen!

Gegen männerbündische Strukturen und Homophobie!
Für den Feminismus und für ein selbstbestimmtes Leben!
Für eine Gesellschaft jenseits von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus!